Das immer wieder gleiche Muster

«Eine neue Islamdebatte», «das Unbehagen gegen Muslime ernst nehmen»: Nach dem Ja zum Verhüllungsverbot reproduzieren Schweizer Medien einmal mehr rassistische Stereotype. Eine Presseschau.

Von Sara Winter Sayilir und Anna Jikhareva

Die NZZ macht es geschickt: Am Tag nach der Annahme der Initiative für ein Verhüllungsverbot widmet sie sich den Strippenziehern vom Egerkinger Komitee. Trotz aller Hinweise auf die rechtsextremen Ansichten der Initianten gewinnt die Leserin den Eindruck, man dürfte sich auf die nächsten Schritte freuen: «Da kommt noch mehr von den Egerkingern.» Subtext: Man kennt sich doch, man wisse ja, wie die sind. Der Autor scheint das Komitee fast zu bewundern – warum sonst würde jemand für einen Rechtsextremen wie Ulrich Schlüer den Begriff «elder statesman» verwenden und SVPler Anian Liebrand den Vorwurf des Antisemitismus gegen sich selbst mit den Worten «Das hat mich am schwersten getroffen» relativieren lassen? Eine kritische Lizenziatsarbeit über das Egerkinger Komitee wird hingegen als Zitat stehen gelassen bzw. in indirekte Rede gestellt: «Ihre Weltanschauung weise fremdenfeindliche Züge auf.» Als wolle sich der Autor eher von der Arbeit denn den demokratiefeindlichen Überzeugungen der Initianten abgrenzen. 

Wer sich durch die Berichte nach der Abstimmung über das Verhüllungsverbot liest, bemerkt schnell das Muster: Auf der einen Seite spielen sie den Rechtsextremismus der SVP und des Egerkinger Komitees herunter, auf der anderen wird weiter von einer angeblichen Bedrohung durch den Islam geschrieben.

Neben dem Gewinner-Text über das Komitee publiziert die NZZ ein Interview mit dem Politologen Georg Lutz, der die Annahme der Initiative als «Antwort auf die Verunsicherung als Folge des weltweiten islamistischen Terrors» bezeichnet – dabei hat sich doch beim Lesen des Porträts gerade geklärt, dass diese Art der Verunsicherung gar nicht ausschlaggebend gewesen sei, sondern dass die «nationalkonservative, christlich-religiöse und junge, aktivistische Rechte» ganz bewusst und ohne Anlass für einen Umschwung des politischen Trends nach rechts agitiere. Zu Mobilisierungszwecken wird hier also bloss die terroristische Drohkulisse aufrechterhalten.

Im dazugehörigen Kommentar wird schliesslich auch noch einmal die Erzählung vom Niqab als «Symbol des politischen Islams» wiederholt, das der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze bereits akribisch widerlegt hatte. Die Realität scheint aber nicht sonderlich zu interessieren – wichtig ist, was die Stimmung weiter anheizt. So wird auch die Befürchtung der Föderation Islamischer Dachorganisationen, das Abstimmungsergebnis könne zu Gewalt gegenüber Muslim*innen führen, als «politisch gefärbte Unheilsprophetie» bezeichnet, potenzielle Angriffe als «Einzelfälle» abgetan. Diese Verharmlosung kennt man schon aus der deutschen Debatte um rechtsextreme Gewalttaten zu Genüge, die trotz massiver Häufungen von Medien und Behörden konsequent als Einzelfälle bezeichnet werden. Damit erschweren konservativ-rechte Kreise konsequent die Beforschung und Verfolgung rechter Gewaltstrukturen.

Die «Aargauer Zeitung» ist weniger subtil, hier fordert der Chefredaktor gleich eine «neue, vertiefte Islamdebatte». In «unserer liberalen Demokratie» habe es «keinen Platz für den radikalen, frauenfeindlichen Islamismus, dessen Siegeszeichen Burka und Nikab sind». Als hätte die Schweiz «Anti-Demokraten, Frauenverächter und gewaltbereite Fundamentalisten» im nicht-islamischen Kontext im Griff. Den grassierenden Sexismus in der Gesellschaft auszublenden und zu einem Problem «der anderen» zu stilisieren ist typisch für das Narrativ einer Mehrheitsgesellschaft, die sich für kulturell überlegen hält. 

Auch in der «Berner Zeitung» schlägt der Chefredaktor in die gleiche Kerbe: Die Debatte sei «staatspolitisch von Bedeutung» und «ein Schlusspunkt hinter die jahrelange Debatte über den Vollschleier und den Islam in unserem Land». Dabei geht es nicht mehr allein um die Feststellung, «die Burka passt nicht zu uns, die dunklen Hüllen irritieren», sondern um den «Islam in unserem Land». Auf der einen Seite «wir», auf der anderen «die Muslime». Kein Wunder, schlägt der Autor auch gleich «eine bessere Integration von Andersgläubigen und notfalls schärfere polizeiliche Massnahmen» vor. Die Norm sind demnach die Christ*Innen – da hilft es auch nicht mehr zu versichern, man wolle «keine Spaltung der Gesellschaft». 

Wie rassistische Vorurteile reproduziert werden, zeigt derweil der Kommentar der zweiten Berner Lokalzeitung «Der Bund». Unter dem Titel «Wir müssen das Unbehagen gegen Muslime ernst nehmen» schreibt (wieder) der Chefredaktor von der «Machomentalität und Homophobie von jungen Kosovaren, Bosniern oder Syrern», der es «entgegenzutreten» gelte, und zwar nicht bloss von «uns allen, sondern auch von den Musliminnen und Muslimen selber». Auch hier wieder ist der Sexismus in der Schweiz offenbar bloss ein Problem des Islam. 

Zu guter Letzt bemüht sich die «Basler Zeitung» unter dem Deckmantel der Satire um die Aufmerksamkeit jener, die von dem Getöse profitieren. Weshalb Chefinitiant Walter Wobmann auch – fast warmherzig als «Toefflibueb» bezeichnet – wohl beurteilen könne, wie gefährlich eine Burka schon aus Gründen der Verkehrssicherheit sein könne. Wer übrigens nachlesen will, wie man über das Ergebnis der Abstimmung auch schreiben kann, muss einmal mehr ins Ausland blicken: «Das Signal, das von dieser nationalen Entscheidung ausgeht, ist bitter. Wieder einmal ist es Populisten in einem europäischen Land gelungen, Stimmung gegen Muslime zu machen», schreibt etwa «Spiegel Online»