Die NZZ im Kulturkampf

Wer sich für Diversität einsetzt, ist rassistisch – so scheint das neue Mantra der NZZ zu lauten. Jetzt hat es die Neuen Deutschen Medienmacher*innen getroffen.

Von Christoph Keller

Lange schon befindet sich die NZZ auf einem Kreuzzug gegen alles, was mit Diversität und Gleichstellung, mit Queerness und postmigrantischen Forderungen zu tun hat. Einmal wird gendergerechte Sprache gegeisselt, ein andermal wird moniert, dass «identitäre» Haltungen unser Kulturleben ruinierten; die Forderung nach diskriminierungsfreier Sprache wird in die Ecke der «Cancel Culture» gestellt, und wenn sich aufgeklärte Kreise gegen das Verhüllungsverbot stellen, ist das eine Form von «linkem Kulturrelativismus». Nun traf es die Neuen Deutschen Medienmacher*innen (NDM).

Die NDM haben in der zweiten Märzwoche einen «Diversity-Guide» für die deutschen Medien vorgestellt. Die Autor*innen gehen davon aus, dass gerade einmal 5 bis 10 Prozent der Journalist*innen in Deutschland eine Migrationsgeschichte haben, und das in einer Gesellschaft, in der (wie in der Schweiz) mehr als ein Drittel eine migrantische Herkunft haben. Das sei nicht haltbar, argumentierten Ferda Ataman, die Präsidentin der NDM, und ihre Kolleg*innen an der Pressekonferenz: Weil sich ein grosser Teil der Gesellschaft in den Medien nicht mehr repräsentiert sieht, würden Medien so den Kontakt zu einem grossen Teil des Publikums verlieren oder gar nicht erst aufbauen können. Deshalb der Diversity-Guide.

Er bietet verschiedene Diversity-Checklisten, um «sicherzustellen, dass Medien in allen Formaten und bei allen Themen auch nicht-weisse Menschen zeigen»; der Guide schlägt weiter vor, dass Medien eine Quote von 30 Prozent einführen für «Journalist:innen aus Einwandererfamilien, für Schwarze Journalist:innen und Medienschaffende of Color». Das Handbuch bietet darüber hinaus Best-Practice Beispiele (etwa der BBC), Tipps und Tools zur Förderung von Diversität und so weiter.

Die Korrespondentin der NZZ in Berlin, Anna Schneider, aus Österreich stammend und dort eine Zeit lang Referentin für Menschenrechte der Mittepartei NEOS, eine Kollegin mit spitzer Feder und streitbarer Schreibe, nahm sich nun also zunächst den Diversity-Guide und dann die NDM als Organisation vor. Ein Rundumschlag.

Anna Schneider schreibt, dass «die Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund im Journalismus» ein «fraglos unterstützenswertes Ziel» sei; aber die «Rückkehr zur Beurteilung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts» sei «von gestern». Was die Autorin als Anzeichen nimmt dafür, dass «der Verein in seiner vermeintlich antirassistischen Arbeit selbst rassistisch agiert». In der Logik der NZZ: Wer Rassismus und Diskriminierung benennt, wer mehr Inklusion und Diversität einfordert, handelt selber «rassistisch».

Schneider reiht sich mit dieser Argumentation ein in die Linie der NZZ, die hinter jeder Forderung nach besserer Vertretung von Menschen mit Migrationsgeschichte (und anderen Minderheiten), das Gespenst der «Identitätspolitik» lauern sieht. Als ob Menschen mit Migrationsgeschichte per se ein identitätspolitisches Verständnis von Meinungsfreiheit hätten und nur für die eigene (migrantische, was für die NZZ gleichbedeutend ist mit linke) Sache schreiben würden. Aber es kommt noch dicker.

Die Autorin moniert, dass die NDM die «Meinungsfreiheit» in Gefahr bringen. Und listet ein paar harmlose Tweets von Vertreterinnen der NDM auf zum Beweis, dass die NDM aktiv versuchten, «die Meinungsvielfalt einzuschränken»; ein lachhafter Vorwurf, der aber wiederum kongruent ist zur Position der NZZ, die neuerdings alles, was links der Mitte anzusiedeln ist, nicht nur dämonisiert, sondern auch diffamiert.

Schneider, die Jugendliche der Klimabewegung schon mal als «wohlstandsverwahrloste Neomarxisten» betitelte, gibt sich dann einige Mühe, um zu beweisen, welche Gefahr von den NDM ausgehen soll. Die NDM seien im deutschen Journalismus «durchaus einflussreich», stellt sie fest, bauscht das Netzwerk des Vereins auf und fordert damit natürlich die rechtspopulistischen Kreise in Deutschland heraus, die in der NZZ lange schon eine neue Heimat gefunden haben. Die sollen auf einen Euro genau erfahren, wie viele Projektgelder die NDM für ihre Arbeit erhalten, unter anderem auch von der öffentlichen Hand, also Steuergelder; und in fast schon plumper populistischer Manier fragt Anna Schneider, weshalb diese öffentlichen Institutionen «eine Organisation unterstützen und fördern, die zumindest grobe Schwierigkeiten im Verständnis der repräsentativen Demokratie hat».

Wie bitte?

«Grobe Schwierigkeiten im Verständnis der repräsentativen Demokratie» hätten die NDM, schreibt Anna Schneider, weil sie beispielsweise feststellten, dass weisse Menschen auch in der Politik überrepräsentiert seien. Weil die NDM überzeugt seien, dass Deutschland ein strukturelles Rassismusproblem habe. Es genügt offenbar in den Augen der NZZ, dass eine Organisation wie die NDM ihre Arbeit tun und auf strukturelle Missstände aufmerksam machen, um schon mal die Frage des möglichen Verfassungsbruchs aufzuwerfen.

Das ist mehr als nur grober journalistischer Unfug. Eine Argumentation, die aus dem berechtigen Anliegen für mehr Diversität eine «grobe» antidemokratische Haltung fabriziert, verhetzt eine ganze Bewegung, weit über die Medien hinaus. Und der Umkehrschluss, wonach «rassistisch» handle, wer mehr Sichtbarkeit, mehr Repräsentation für die migrantische Bevölkerung fordert, ist nochmal ein Steilpass an die Kreise, die sich im Kreise der eigentlich Identitären wohlfühlen. So fängt Verhetzung an.