Immer dieselbe Frage

Die NZZ porträtiert den Soziologen Marko Kovic – und konstruiert einen Zusammenhang zu dessen Herkunft, der nichts mit dem Thema zu tun hat. Eine perfide Art, die Realität zu verdrehen.

Von Sara Winter Sayilir und Anna Chudozilov

Am 14. Januar veröffentlichte die NZZ ein Porträt über den Soziologen Marko Kovic, der zu Verschwörungserzählungen forscht. Obwohl sich aus den Beschreibungen seiner Tätigkeit kein Zusammenhang zwischen seiner kürzlich offenbar stark gestiegenen Medienpräsenz und seiner Herkunft ableiten lässt, konstruiert die Autorin Birgit Schmid einen. Als sei die Prominenz des «Sozialisten» Kovic, der «aus einer linken Position heraus» argumentiere, wie Schmid schreibt, womöglich doch irgendwie mit seiner ausländischen Abstammung zu begründen. Mitten im Text findet sich beispielsweise folgender Satz: «Nicht zuletzt sein Name sorgt für jene Diversität, die sich heute auch bei Expertenstimmen gut macht.» 

Eine perfide Art, die Realität zu verdrehen: Erstens ist Marko Kovic nicht wegen seines Namens prominent, sondern trotzdem oder unabhängig davon. Schliesslich werden diversen Studien zufolge Menschen mit ausländisch gelesenen Namen in der Schule schlechter bewertet, im Beruf seltener eingestellt und sind an den Hochschulen unterrepräsentiert. Zweitens wird suggeriert, Kovic sei nicht allein wegen seines Könnens gefragt, sondern weil Diversität im Trend liege – also doch: wegen seiner Herkunft. 

Doch damit nicht genug: Schmid will es ganz genau wissen, immer noch ohne Zusammenhang zu Kovics Tätigkeit, Expertise oder Aussagen. Wo kommt der Mann denn nun wirklich her? «Obwohl er wegen seines auf -ic endenden Namens Vorurteile zu spüren bekommt, stuft er nicht jede fremdenfeindliche Bemerkung als rassistisch ein. Auf den Apostroph auf dem c verzichtet er übrigens der einfacheren Schreibweise halber. Er freue sich über die Frage, woher er komme: «Das ist ein Ausdruck von Neugier, so ergibt sich oft gleich ein Gespräch.» Seine Eltern, sagt er dann, kämen ursprünglich aus Kroatien. 

Hier wird – mit der Legitimation des Ausländers, als den wir Kovic an dieser Stelle im Text nun fest etabliert sehen – sämtlicher Kritik am Rassismus der Schweizer Gesellschaft gleich mehrfach eine Absage erteilt: So seien manche Bemerkungen, die Kovic zu hören bekomme, nur «fremdenfeindlich», und nicht etwa rassistisch. Was übersetzt auch heisst: Er leidet höchstens unter den gleichen Anfeindungen, die weisse nicht-Schweizerische Menschen auch mal auszuhalten haben – Deutsche, Britinnen und Franzosen. 

Zudem sei die Frage nach der Herkunft offensichtlich doch gar nicht so schlimm, wie uns der Betroffene hier freundlicherweise in Kronzeugenmanier bestätigt, da könne man doch den Rassismusvorwurf grad mal wieder dort versorgen, wo er jetzt jahrzehntelang so schön unausgesprochen blieb. Dabei entbinden die unzähligen Taktiken, die sich Betroffene zulegen, um mit derlei Bemerkungen und der stetigen Frage nach ihrer Herkunft umzugehen, die weisse Mehrheitsbevölkerung – und auch die ihr verbundenen Medien – mitnichten davon, die Verantwortung für den Abbau dieser rassistischen Reflexe zu übernehmen. Und endlich aufzuhören, Herkunft zu thematisieren, wo sie nichts zu suchen hat.